Frage des Monats: Grusel und Erotik in den Bildern?
Schon beim allerersten Märchen, dem Machandelboom tauchte natürlich die Frage nach der Grausamkeit und den gruseligen Illustrationen auf. Ja oder Nein? Die Grimms hatten übrigens eine interessante Haltung dazu… während jedes noch so kleines Bissle Erotik herausgestrichen wurde, blieben die Horrors drin. Erzieherisch war eines der Hauptargumente, sie waren gegen ‚überbehütete‘ Kinder, und das Böse schult den Blick für das Böse. Gibt einen schönen Text von Harm Peer Zimmermann dazu (Schleswig Holstein Heft ‚Märchen&Mythen). Was die psychoanalytische Märchenschule (Bettelheim etc.) dazu sagt ist eh klar, die findet das supercool, genau darum gehts.
Was mich zur Erotik bringt. Das der Prinz und Rapunzel im Turm nicht nur Tee getrunken haben, dürfte einleuchtend sein, schließlich ist sie dann schwanger. In vielen der Quellen, aus denen die Märchentexte stammen, sind sie wesentlich robuster erzählt, bei Hans Sachs zum Beispiel. Wilhelm Grimm hat diese Dinge vorsichtig herausgebügelt, in manchen Fällen (wie im oben genannten Rapunzel) kann man das schön nachvollziehen von Version zu Version. Interessant ist auch folgendes: Die weitaus meisten Märchen wurden den Grimms von Frauen zugetragen, was auch einiges erklärt zum Geschlechterverhältnis, die fast durchweg aus gebildeten Kreisen stammten. Da war es Anfang des 19Jh nun weniger üblich, erotische Burlesken zu erzählen… (Kann man alles beim großen Heinz Rölleke nachlesen, in seinem Reclam – Büchlein Die Märchen der Brüder Grimm. Eine Einführung.) Andererseits ist Erotik natürlich potentiell jede Menge in den Texten angelegt.
Also: Was dürfen oder sollten die Illustrationen hier tun?
Was mir jemand zu dem Thema auf die mail schickte, (der demnächst hier seinen heimlichen Cameo Auftritt haben wird… (((-:)
Zum Thema Erotik und Gewalt:
Sie stellen zur Diskussion, ob unmittelbar zeigen oder im Kopf des Betrachters entstehen lassen.
Mir schiene als Lösung die „Hitchcock-Methode“ gut – er war, wie Sie wissen, ein Meister der „deutlichen Andeutung“.
Das würde für mich heißen: von Erotik wie Gewalt jeweils einen Ansatz, einen Anfang zeigen – und dann den Fortgang dem Leser/Anschauer überlassen.
Also eine Art Mittelweg: nicht nur gaaanz vage andeuten, sondern sozusagen die Werkzeuge zeigen – aber nicht den Vollzug
Etwa wie bei der mittelalterlichen Folter: die sog. „Territion“ (daher kommt auch Terror!) – die ging so:
Der Delinquent wurde nicht gleich gestreckt und gebrannt, sondern er wurde in die Folterkammer geführt, dort wurden ihm die Folterinstrumente gezeigt und erklärt – dies war der letzte Moment für ein Geständnis ohne Marter.
Und so stelle ich mir das bei Ihren Bildern vor: ein „Territion“, eine durchaus schon deutliche Andeutung – bei Erotik etwa: ein Zimmer, ein Bett, davor in Jüngling, der ein gerade erblühendes Mägdelein umfasst und seine Hand auf ihren Po legt – und er schaut dabei zum Bett. Unanständiges ist (noch) nicht passiert – aber es spricht einiges für einen „konsequenten Fortgang“ der Geschichte. Wie wenn in „Psycho“ das Mädel duscht und dann das hoch erhobene Messer sieht, das gleich auf sie niedersausen wird (oder, wer weiß, eben nicht) – das wird aber nicht gezeigt.
Vielleicht kann man es auch so sagen:
Die Ingredienzien der weiteren Handlung sollten gezeigt werden, der Handlungsverlauf angedeutet – der letzte Rest ist dann Kopfkino der Leser/Betrachter.