Auch wenn ich den Blog hab einschlafen lassen (Newsletter! oder, wer hat, Instagram…) ein bissel Vorgeschmack auf Band 3.

Band 3 trägt den Titel: Lumpengesindel. Tiere & Menschen.

Der dritte Band wird wieder in klarem schwarz-weiß gehalten sein wie Band 1, keine Grauwerte. Er wird jedoch deutlich filigraner daherkommen, und über dünne Schraffuren doch zum Grauton kommen: Zum Pinsel kommt die Feder hinzu. Die Doppelseiten, die Band 2 als offene Landschaften bestimmten, verschwinden wieder. Es wird mehr Einzelobjekte geben, die sich vergnüglich auf der Seite herumtreiben. Kritzel Kratzel wäre das Geräusch, das Band 3 macht.

Einige berühmte Märchen des Bandes werden sein: Die Bremer Stadtmusikanten, Der Wolf und die sieben jungen Geisslein, Tischlein deck dich, Der Froschkönig, Hase und Igel, Der gestiefelte Kater. Abstruse Märchen, auf die ich mich freue, sind Das Märchen von der Unke, Vom Tod des Hühnchens, und Die Wassernixe, und gegen Ende gibt’s die Gänsehirtin am Brunnen, eines der wirklich schönsten Märchen überhaupt, und mein Langzeit-Favorit: Die Rabe. Schon in dem DIE, das ist original so, geht doch echt die Post ab.

Tiere tauchen schon immer vielgestaltig in der Kunst auf, seit der Antike, auch in den wundersamsten Mischformen. Sie werden meist als Personifizierung bestimmter Charaktereigenschaften oder Möglichkeiten des Menschen gesehen. Es ist vergnüglich, und erweitert enorm die bildnerischen und erzählerischen Möglichkeiten, oft komisch, skurril oder unheimlich. Ich hab mich immer gefragt, wenn Tiere nun hier der Platzhalter sind für menschliches und unmenschliches, sind dann auch die die Menschen auf den Bildern und in den Texten Platzhalter für Tiere? Wie sieht es hier aus bei den großen Gemälden und Romanen über Menschen? Welche Tiere sind da unterwegs? Es ist nicht einmal das Kreatürliche, auf das ich mich einigen kann, das ist noch größer. Im Lumpengesindel spielen ja auch schnell mal noch ein paar Gegenstände mit, die beseelt sind. Und diese Rückführung auf handelnde Objekte – auch die Tiere und Menschen sind zunächst Objekte – gestalten die größte anzunehmende Beseelung der Welt. Alles erwacht zum Leben, in einem Raum, dem der Märchen, in dem sowieso alles möglich ist.Frau Igel

Dabei ist die Funktion der Tierfiguren in den konkreten Texten sehr verschieden. Manche Texte erinnern an Fabeln, in anderen spielt das Verhältnis zum Menschen – Tiere als Erweiterung der Fähigkeiten und Sinne, oder es gibt da noch das Tier als ‚Das Andere‘ das jenseitige. Auch die Charaktere der Märchen in Band 3 ist wesentlich diverser als in den vorangegangenen Bänden. Es gibt Moralisches, vor allem in den Fabeln, auf der anderen Seite aber wieder Surreales, unverständliches und unglaublich Dunkles. Es gibt Erzählfiguren, die mir aus 1001 Nacht vertraut sind, die deutlich mehr fabulieren als sonst bei den Grimms üblich, und es gibt Texte, die eher zu den Sagen zu zählen scheinen, bis hin zur Schildbürgergeschichte ‚Die Eule‘.

Hier ein kleiner Spaziergang durch den geplanten dramaturgischen Bogen des Buches.

Vorspiel: Der alte Sultan wird das Buch eröffnen: Der alte Sultan ist ein alter Hund, den sein Herrchen loswerden will. In diesem Tenor klettern wir die Leiter hinauf bis zu den fulminanten Bremer Stadtmusikanten, den alten (unfähigen) Tieren, die ihre Fähigkeiten neu definieren und wahrlich durchschlagenden Erfolg haben.

1. Akt.
Wir rutschen ins Fabelreich, Der Fuchs und die Gänse, aber rasch wird es absurd, und die dunkle Seite erscheint. Mit Lumpengesindel und Läuschen und Flöhchen, wo offensichtlich der Wahnsinn alles befällt, erreicht der zweite Akt seinen Höhepunkt, um mit einem immer noch dunklen, aber regelrecht vernünftigen Katz und Maus in Gesellschaft zu enden.
2. Akt.

Der zweit Akt ist ‚diesseitiger‘. Viel ist von den klassischen Figuren Schlange, Katze, Fuchs und Wolf die Rede, oft sind Tiere die Erweiterung von Fähigkeiten. Tier und Mensch arbeiten zusammen oder setzen sich auseinander. Der gestiefelte Kater, ist wohl der Höhepunkt. Ein Text, der nur in der allerersten Ausgabe der Grimms vorkam und dann gestrichen wurde. Der Kater war zu nah an einem Text des Franzosen Perrault, und damit wohl zu französisch, was damals (Napoleon) nicht so gut ankam. Die Wassernixe als Flucht vor dem Tierischen beendet den Akt.

3. Akt

Die Eule, die das Andere innerhalb der Menschenwelt darstellt, eröffnet den nun menschlichen Teil des Bandes. Wir befinden uns wieder in einer klassischen Märchenwelt. Der Spielhansel zieht Parallelen zu Band 1 Himmel und Hölle, und ruft das Spiel als menschliche, besessene Form des nicht rationalen auf. Schiller hat gesagt, so sinngemäß, das der Mensch nur im Spiel bei sich ist, und das scheint mir auch eine Nahtstelle zum Tier zu sein, die gelegentlich die besseren Menschen sind. Tiere erscheinen als Möglichkeiten, Verwandlungen und Wunder im dritten Teil, bis Die Rabe endlich ihre Menschgestalt zurückerhält.